Das "neue" Schießpulver


Im Jahr 1848 erfand Prof Schönbein die Nitrocellulose. Die Entdeckung geschah eher zufällig, die zur Nitrierung von Glyzerin verwendete Mischsäure benetzte seinen Baumwollkittel, nach Auswaschen und Trocknung wurde die leichte Entflammbarkeit eher zufällig entdeckt. Der Professor untersuchte die explosiven Eigenschaften des neues Materials und fand ihre Eignung als Spreng- und Treibmittel. Im Gegensatz zum Schwarzpulver entstehen bei der Verbrennung von Nitrocellulose lediglich gasförmige Endprodukte, so daß die Läufe nicht mehr verschmutzen. Es wurde nun möglich, aus einem Lauf mehrere Schüsse abzufeuern, ohne verstärkt Gefahr zu laufen, durch die Ablagerungen Rohrkrepierer zu erhalten. Die Passung der Geschosse im Lauf konnte verbessert werden, wodurch eine höhere Reichweite und eine bessere Treffgenauigkeit erreicht wurde. Nitrocellulose setzt bei ihrer Verbrennung zudem weniger Energie frei als Schwarzpulver, so daß die Läufe sich weniger aufheitzen. All diese Eigenschaften führten dann später zur Entwicklung der Maschinenwaffen.
Im Gegensatz zum Schwarzpulver ist der zur Verbrennung notwendige Sauerstoff bei der NC direkt im Molekül gebunden. Zunächst wurde die NC allerdings nur als Sprengmittel verwendet, ihre Rohform als nitrierte Baumwolle eignete sich wegen seiner Wasserbeständigkeit hervorragend für Sprengarbeiten am und unter Wasser

 

sowie für Aufgaben in der Seekriegsführung. Die ersten Torpedos waren mit Schießbaumwolle gefüllt.
Die leichte Löslichkeit dieses "Kunststoffs" in Aceton führte zur Entwicklung von Kollodiumlösungen zum Verschließen von kleineren Wunden. Löst man die NC in wenig Aceton, so entsteht eine zähe Gallerte, die sich aus Düsen in Formen pressen läßt. Im Gegensatz zur Schießbaumwolle brennt diese Masse langsam und kontrolliert ab und läßt sich hervorragend als Treibmittel verwenden. Diese Klasse war die erste einer sich rasch entwickelnden Gruppe von Treibmitteln auf NC Basis. Es wurden dann bald die POL Pulver entwickelt, bei denen die Gelatinierung durch Erhitzten von NC auf 80°C und verpressen erreicht wurde.
Nobel erfand nach dem Gurdynamit, einer simplen Mischung aus Kieselgur und Nitroglycerin, das wesentlich stärkere Gelatine-Dynamit. Dies wird durch Vermengen einer Nitrocellulose-Lösung in Aceton mit Nitroglycerin und Verdampfung des Lösungsmittel hergestellt. Gurdynamit weitet einen Standartbleiblock nur 410 Kubikzentimeter weit auf, das Gelatinedynamit dagegen satte 600 Kubikzentimeter!

Prof Schönbein leitete den Aufbau vieler Nitrocellulosefabriken in Europa, vor allem in Deutschland und England.