Die Entwicklung der Geschütze


 

Büchsenmeister waren im Mittelalter Gewerbetreibende oder Künstler, die durch freien Vertrag im Dienst der Fürsten und Städte standen; sie waren zünftig organisiert und mußten gewisse zunftmäßige Prüfungen bestanden haben. Ihr Ansehen war groß, da sie meist eine höhere Bildung besaßen.
Sie verfügten über gründliche Kenntnisse der Naturwissenschaften und des Befestigungswesens und waren als Feuerwerker und Kanoniere für das technische Gelingen der Angriffs- und Verteidigungskriege mitverantwortlich. Wie viele Büchsenmeister in einem Heer erforderlich waren, hing von der Anzahl der Büchsen und Geschütze ab. So hatte Nürnberg im Jahre 1449 zur Bedienung seiner Feuerwaffen auf den Türmen der Stadtmauer 144 Büchsenmeister, unterstützt von Ober- und Untergesellen.

Die Vielseitigkeit dieser Meister beweist ein Dokument aus dem Jahre 1436 Uber die Bestallung des Augsburgers Heinrich Roggenburger, worin es unter anderem heißt : »Er kann das Giessen der Büchsen groß und klein, das Schießen so behend, als man je gesehen hat, und das Pulver dazu machen.
Er kann Feuerpfeile schießen und werfen, gegossene, werfende Werke groß und klein und auf einen solchen Sinn fertigen, wie es in deutschen Landen noch nie gesehen worden, denn sie stehen nach dem Wurfe still, daß sie sich nicht rühren noch verrücken, ohne daß man sie zu binden oder zu fassen nötig hat und werfen Steine von 5 bis 6 Zentner; ferner macht er Züge, mit denen man 100 Zentner heben kann, dann Schirm zu Büchsen und Streitwägen, Brücken, die man über Land führen kann, zum Anlegen auf Gräben und fließende Wasser. Überdas versteht er Türme, Häuser, Wasser-, Wind- und Roßmühlen zu bauen, gegossene, irdene und hölzerne Deicheln [Rohre] zu fertigen, Brunnen auf Berg und bei Thal zu leiten und Bildwerke zu formen

Neben den Büchsenmeistern waren die Büchsenschmiede mit der Anfertigung von kleineren Geschützen und Handfeuerwaffen beschäftigt.

[Image]Die Maadfaa oder Wurfkessel. Das erste Geschütz überhaupt, aus dem 13. Jahrhundert. Konnte sehr schwere Steine in spitzen Winkel über die Befestigungsmauern feindlicher Städte schleudern.

[Image]Die ersten brauchbaren Mörser kamen um das Jahr 1300 auf, man nannte sie Feuermörser oder Steinböller. Ihre Rohre bestanden aus geschmiedeten Schienen, die, wie beim hölzernen Faß, durch eiserne Reifen zusammengehalten wurden. Bei einem Kaliber von bis zu einem Meter Durchmesser waren sie bis 2,5m lang und wurden vor dem Abschuß in der Erde eingegraben. Auch ihre Steinkugeln hatten sehr steile Flugbahnen, man konnte mit ihnen also hinter Mauern schießen.

[Image]Steinböller/Bombenmörser aus dem Jahr 1330, 2,5m Länge. Die ersten flachfeuernden Kanonen kamen etwas später auf, zunächst unter der Bezeichnung Bombarde. Zunächst war sie ein beidseitg offenes Rohr, in das von der einen Seite zunächst das Geschoß, dann das Pulver und schließlich der hölzerne Verschluß eingebracht wurden. Die Zündung erfolgte durch ein Spuntloch mittels glühenden Holzstäbchen. Zu jedem Schuß mußte die Kanone sehr zeitaufwendig neu verbolzt werden, zudem konnte der Gasdruck des Pulvers nur begrenzt genutzt werden.

[Image]Dies änderte sich mit der Einführung der Petarde (oder Basilisk), der das Verschlußstück fest im Rohr integriert hatte. Allerdings musste im Gegensatz zur Bombarde der Rückstoß durch eine Lafette abgefangen werden. Die Petarde wurde von vorne mit Pulver und Kugel geladen.

 

Im 14. Jahrhundert bürgerte sich dann für die langen Petarden und Bombarden der Ausdruck Kanone ein, während die kürzeren Geschütze, Hybriden aus Steinböller (Mörser) und Kanonen (Bombarden und Petarden) von da an als Haubitze bezeichnet wurden.

Die Entwicklung lief rasant: Bereits im Jahr 1388 fertigte man in Nürnberg eine große Kanone, Krimhild genannt. Deren Geschosse konnten aus einer Entfernung von 1000 Schritten eine fünf Fuß starke Mauer durchschlagen. Pro Schuß benötigte man 14 Pfund Pulver, für den Transport des Rohres mit Lafette, Zubehör und 15 Steinkugeln waren 58 Pferde notwendig.

Mitte des 15. Jh begann man, die Geschützrohre aus Bronze zu gießen. Dies ermöglichte, in der Mitte des Rohres Zapfen, sogenannte Schildzapfen, zu vergießen. Mit diesen Zapfen konnte das Rohr fest mit einer Lafette verbunden werden, den Rückstoß also direkt von der Kanone in die Lafette zu übertragen. Bis dahin lagen die Rohre nur auf den Lafetten auf, der Rückstoß wurde von feststehenden Prallböcken hinter der Kanone aufgefangen. Deshalb mußte nach jedem Schuß das Rohr in einem mühsamen Prozeß neu auf das Ziel ausgerichtet werden, mit den neuen Kanonen konnte dagegen in rascher Folge geschossen werden.

 

[Image]Bronzekanone von 1470

 

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Mortar: Der Bronze-mörser aus dem 15. Jahrhundert

 

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Preußischer Belag-erungsmörser aus dem Jahr 1760. Über 300 Jahre blieb dieses Prinzip unverändert.

 

[Image]Schmiedeeiserne  Kartaune aus der Schlacht von Murten in Jahr 1476.
Gehört zu den Haubitzen.

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Am Ende des 15. Jh kannte man in der Waffentechnik bereits die Bombe, einen mit Pulver gefüllten eisernen Hohlkörper, dessen Zündung durch eine Lunte erfolgte. Nach dem Einschlag des Geschosses explodierte die Bombe und verursachte große Zerstörung.

Zu dieser Zeit war auch die Feuerwerksbombe im Prinzip bekannt, die Hülle wurde damals aus altem Stoff und Papier mit Kleister hergestellt und mit Schwarzpulversternen gefüllt. Allerdings blieb über lange Zeit nicht die Bombe, sondern die Rakete das Werkzeug der Pyrotechniker, einerseits, da die Bomben nicht zuverlässig genug funktionierten, andererseits deshalb, weil die Effekte der damaligen Zeit auf Schwarzpulvermischungen beschränkt waren.